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Ein Recht auf Privatsphäre in der eigenen Wohnung. Auf dem Bild links steht ein Holzstuhl. Rechts ist eine Schrankwand zu erkennen.

Das Recht auf Privatsphäre

Der Schutz der Privatsphäre ihrer Bürger hörte für die Regierenden in der DDR dort auf, wo sie ihre Macht bedroht sahen.

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Art. 12

der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: "Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen."

Der in der UN-Menschenrechtscharta verwendete Begriff „Privatleben“ beinhaltet einen ganzen Katalog an zu schützenden Lebensbereichen: die Identität eines Menschen, seine Gefühle und Gedanken; die Unverletzlichkeit seines Körpers und seines Willen; den Anspruch auf Geheimhaltung seiner persönlichen Daten; der Schutz seiner Kommunikation, sowohl direkt als auch über Briefe oder elektronische Mittel, aber auch den Schutz von Familie und Heim sowie den Schutz seiner Ehre und seines Rufes. Entscheidend ist, dass dieser Schutz sich gegen willkürliche Maßnahmen eines Staates richtet.

Der Schutz der Privatsphäre ihrer Bürger hörte für die Regierenden in der DDR jedoch dort auf, wo sie ihre Macht bedroht sahen. Es waren gerade staatliche Willkürmaßnahmen, die in die Privat- und Intimsphäre von Menschen eindrangen und die die Menschen, die sich den Vorgaben der Partei nicht unterwarfen, als Waffe eingesetzt wurden. Sie sollten Menschen verunsichern und somit schlussendlich ihren Widerstand gegen das Diktat der Partei brechen.

Art. 37

der Verfassung der DDR garantiert: "Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhanden Wohnraums und die öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraums zu verwirklichen. Es besteht Rechtsschutz bei Kündigungen. Jeder Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung."

Im Überwachungsstaat DDR konnten Kritiker so beispielsweise nicht nur im öffentlichen Leben in Schwierigkeiten geraten. Einmal im Blickfeld der Geheimpolizei, boten ihnen auch die eigenen vier Wände keine Sicherheit mehr. Spezifisch ausgebildete Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) nahmen im Verborgenen ganze Wohnungseinrichtungen auseinander, fotografierten und untersuchten sie und setzten sie wieder zusammen.

Bei Wohnungsdurchsuchungen öffnete die Stasi Schubladen und fotografierte den Inhalt.

Geheime, illegale Wohnungsdurchsuchungen

Das in der DDR verfassungsmäßig garantierte Recht auf Schutz der eigenen Wohnung verletzte die Staatssicherheit, um zum Beispiel an belastende Informationen über deren Bewohner zu gelangen. Stasi-Mitarbeiter betraten ohne Durchsuchungsbeschluss, in Abwesenheit und ohne Wissen der Bewohner privaten Wohnraum. Unabhängig davon fanden in der DDR auch legale Durchsuchungen auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses und bei "Gefahr im Verzug" statt.

Bei den selteneren geheimen und illegalen Wohnungsdurchsuchungen der Stasi inspizierten MfS-Offiziere die Einrichtung und mögliche Verstecke für kompromittierendes Material. Sie dokumentierten ihr Vorgehen detailliert mit Fotografien oder Videoaufzeichnungen. So gewannen nicht nur die Ermittler vor Ort, sondern auch alle mit der Auswertung befassten Personen einen umfassenden Eindruck vom privatesten Bereich des "Zielobjektes".

Auch mit Abhörmaßnahmen verletzte die Stasi das Menschenrecht auf Privatsphäre. Dabei brachten MfS-Mitarbeiter verdeckte Abhöranlagen, sogenannte "Wanzen", in Wohnungen an. Dadurch konnte die Stasi weite Teile der privaten Kommunikation einer Person nachvollziehen, auswerten und nutzen. Auch dafür betraten Stasi-Mitarbeiter den Wohnraum der "Zielperson" oder drangen über eine Nachbarwohnung ein.

Die Verletzung des Schutzraums Privatwohnung gehörte in der Regel zu einer groß angelegten Ermittlung gegen eine Person oder Personengruppe. Dabei war das Eindringen in die Wohnung nur eine Maßnahme aus einem Arsenal von geheimpolizeilichen Methoden. Auch gehörte die mal offene, mal verdeckte Befragung von Kollegen und der unmittelbaren Nachbarschaft dazu oder Briefkontrollen, was wiederum weitere Menschenrechte berührte. Dabei ging es sowohl um konkrete Verdachtsfälle als auch um "vorbeugende Verhinderung".

Die Stasi fotografierte bei Wohnungsdurchsuchungen Zimmer so, wie sie sie vorfand. Zu sehen ist ein Tisch mit vier Stühlen. Auf dem Tisch liegen viele Blätterstapel durcheinander.

Offensichtliche Spuren

Es gab Fälle, bei denen das Eindringen in die Privatsphäre auch ein anderes Ziel als die Informationsbeschaffung verfolgte. Im Rahmen von "Zersetzungsmaßnahmen" nutzte die Stasi Wohnungseinbrüche als Drohung gegen die Bewohner und zur gezielten Erzeugung von psychischen Belastungszuständen. Dafür hinterließen MfS-Mitarbeiter in den Wohnungen der Opfer offensichtliche Spuren ihrer Anwesenheit, indem sie Gegenstände hinterließen, entfernten oder veränderten.

Diese Methode fand Anwendung, wenn offene, strafrechtliche Verfolgung auf Basis der DDR-Gesetze nicht möglich war oder nicht zum Einsatz kommen sollte. Bei international bekannten Regimekritikern beispielsweise hätte ein juristisches Vorgehen negative Reaktionen in der westlichen Presse nach sich gezogen. Ein konspiratives Eindringen in die Wohnung hingegen war kaum verfolgbar oder kommunizierbar, verfehlte aber in der Regel seine Wirkung auf die betroffene Person nicht.

Überwachung privater Wohnungen

Für die Überwachung privater Wohnungen waren zwei verschiedene MfS-Abteilungen zuständig. Die auch für das Abhören der privaten Telekommunikation zuständige Abteilung 26 übernahm den Einbau und das Abhören von Wanzen. Die Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung, Durchsuchung und Festnahme) kam bei sogenannten "konspirativen Durchsuchungen" zum Einsatz.

In beiden Fällen handelte es sich um Dienstleistungen innerhalb des MfS-Apparates. Der eigentliche Auftraggeber war häufig die Hauptabteilung IX, Ermittlungsorgan der Geheimpolizei und zuständig für Ermittlungsverfahren mit politischer Bedeutung. Sie erteilte die Arbeitsanweisung, eine Wohnung zu durchsuchen oder darin Abhöranlagen zu installieren, um Hinweise oder Beweise für die weitere strafrechtliche Verfolgung einer Person zu sammeln. Häufig stammten Aufträge auch von der Spionageabwehr (Hauptabteilung II). Generell konnten „operativ“ arbeitende Diensteinheiten beauftragten, das Recht auf Privatsphäre zu verletzten und ohne rechtliche Grundlage und damit willkürlich in private Wohnungen einzudringen.

Die Stasi fotografierte die Privaträume von Bürgern. Zu sehen ist ein Schmaler Abstellraum, der bis oben mit Plastiktüten und Koffern gefüllt ist.

Wohnungsdurchsuchungen

Die im Stasi-Jargon als "konspirative Durchsuchung" bezeichneten illegalen Wohnungseinbrüche waren eine aufwändige, personal- und zeitintensive Angelegenheit. Dieses geheimpolizeiliche Mittel kam deshalb nur in ausgewählten Fällen und nicht flächendeckend zum Einsatz. Durch akribische Vorbereitungen musste sichergestellt sein, dass weder die Bewohner noch deren Umfeld etwas davon registrierten.

Zu Beginn beobachteten die MfS-Mitarbeiter die täglichen Gewohnheiten der Bewohner eines Haushaltes, um eine spontane Rückkehr ausschließen zu können. Dabei überließen sie nichts dem Zufall und sorgten in Kooperation mit anderen staatlichen Einrichtungen dafür, dass die Bewohner bei einem fingierten Termin oder am Arbeitsplatz festgehalten wurden. Im Rahmen des "politisch-operativen Zusammenwirkens" arbeiteten dabei beispielsweise Vorgesetzte am Arbeitsplatz, Schuldirektoren, Behördenmitarbeiter oder Ärzte als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) zusammen.

Auf diese Unterstützer kam es auch an, wenn es darum ging, Verbündete im Wohnhaus des Opfers zu finden. Mit deren Hilfe konnte die Stasi einen Stützpunkt einrichten oder den Hausschlüssel von Bewohnern für kurze Zeit entwenden, um ihn nachfertigen zu lassen.

Innerhalb des MfS war ein komplizierter Dienstweg einzuhalten. Der Minister für Staatssicherheit selbst oder einer seiner Stellvertreter in den Diensteinheiten oder Bezirksverwaltungen genehmigten eine illegale Durchsuchung.

Im Anschluss startete die eigentliche Aktion. Die Wohnungstüren öffneten die Stasi-Spezialisten entweder mit einem kopierten Schlüssel oder brachen sie ohne sichtbare Spuren auf. Eine andere Möglichkeit bestand darin, Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes als IM zu werben. Im Durchschnitt benötigten die MfS-Ermittler während eines Einsatzes drei bis vier Stunden. Sie untersuchten jeden Quadratmeter der Bleibe des jeweiligen Opfers und hielten alles per Foto oder Video fest. Vor allem an Aufzeichnungen, Briefen, Notizen oder Fotografien waren die Geheimpolizisten interessiert.

Bild eines aufgeklappten Koffers mit verschiedenen privaten Dokumenten

Nach der Durchsuchung fertigten die Agenten einen Abschlussbericht an und nahmen darin nicht nur strafrechtlich relevante Aspekte auf, sondern jedes noch so kleine private Detail. Nicht selten wurden die Bewohner unmittelbar nach der Durchsuchung verhaftet, weil dann genug belastendes Material vorlag. Danach gab es eine weitere, gerichtlich genehmigte Durchsuchung, um die gefunden Beweise zu legalisieren und sie in einem Prozess verwenden zu können.

Abhörmaßnahmen

Was in der Abteilung 26 als "akustische Überwachung in geschlossenen Räumen" oder "B-Maßnahme" bezeichnet wurde, ist im allgemeinen Sprachgebrauch als "Verwanzen" bekannt. Diese MfS-Einheit verletzte so nicht nur das Fernmeldegeheimnis durch Abhören von Telefongesprächen, sie verantwortete auch die Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Auch die Installation einer "Wanze" bereitete die Stasi als "konspirative" Maßnahme langwierig vor. Die sogenannte "technische Vorlaufarbeit" übernahm die Abteilung 26. Dort herrschte ständiger Mangel an geeigneter Technik, weswegen die entsprechenden Stasi-Mitarbeiter mit Westimporten arbeiteten oder eigene Entwicklungen nutzten.

Abhöranlagen wurden bei einem klassischen Einbruch nach dem Muster der "konspirativen Durchsuchung" installiert. Ein anderer Ansatz bestand darin, unmittelbare Nachbarn als IM zu gewinnen und über eine Wandbohrung "Wanzen" in der gewünschten Wohnung anzubringen.

Die Effizienz der eingesetzten Technik hing stark von den Gewohnheiten der Bewohner ab. Ein laufendes Radio oder ein aufgedrehter Wasserhahn konnten die Auswertung der Aufzeichnungen unmöglich machen. Mit solchen Mitteln versuchten sich Menschen zu schützen, die vermuteten, dass die Stasi ihre Wohnung abhörte. Die Ergebnisse einer Abhörmaßnahme leiteten die MfS-Mitarbeiter als wörtlichen oder zusammenfassenden Bericht an die beauftragende Diensteinheit weiter.

Abhöranlage (Wanze) in einer Privatwohnung.

Angebote des Stasi-Unterlagen-Archivs

Beispiele aus den Stasi-Unterlagen

MfS-Schulungsfilm: "Revisor"

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Dieser Schulungsfilm der Stasi zum Vorgang "Revisor" zeigt einen Mann im Visier der Staatssicherheit. Er dokumentiert, wie das MfS belastende Dokumente suchte, wie sie den Mann mit Decknamen "Revisor" überwachte und ihn schließlich verhaftete. Das Vorgehen in diesem Fall wurde durch Mitarbeiter der Geheimpolizei teilweise mitgefilmt. So entstand ein Film, der zur internen Schulung eines engen Kreises von Mitarbeitern diente. Diese sollten lernen, wie eine komplexe Suche organisiert wird, wie eine "konspirative" Wohnungsdurchsuchung durchzuführen ist und wie man einen Menschen unbemerkt auf offener Straße verhaftet. Einen Einblick in das Denken der Stasi-Männer gibt die typische, bürokratisch-menschenverachtende Sprache.

Fotoserie einer Wohnungsdurchsuchung des MfS

Während einer konspirativen Wohnungsdurchsuchung bei Wolf Biermann dokumentierten die MfS-Mitarbeiter vor Ort alle Details der Einrichtung sowie Bilder, Dokumente oder Bücher mit Fotografien. Zusammen mit den in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Berichten sollten sie möglichst umfangreiche Informationen vermitteln und sichern.

Bericht über eine Wohnungsdurchsuchung des MfS

Der Bericht zur geheimen Durchsuchung einer Wohnung (Operativ-Vorgang "Revisor") dokumentiert die aufwändigen Maßnahmen der Stasi rund um eine Wohnungsdurchsuchung. Das Dokument gibt Einblicke in die Arbeitswirklichkeit der MfS-Offiziere und zeigt, wofür sie sich interessierten. Eindrucksvoll belegt der Bericht, welche privaten Daten des Opfers in die Hände der Geheimpolizei fielen.

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Lehrbuch für die Wohnungsdurchsuchung

Das vorliegende Arbeitsmaterial ist 1978 als Lehrbuch für Stasi-Mitarbeiter entstanden. Es enthält genaue Anweisungen über die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung konspirativer Wohnungsdurchsuchungen. Darüber hinaus sind in einigen Anlagen Beispiele dokumentiert. Jenseits von konkreten Fällen veranschaulicht es, wie akribisch die Stasi jeden einzelnen Schritt vorbereitete, um so ihr Wirken zu verschleiern.

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Dienstanweisung "akustische Überwachung"

Diese Dienstanweisung des Stasi-Ministers Mielke weist die Abteilung 26 an, auf Auftrag geschlossene und freie Räume abzuhören. Diese sogenannten B-Maßnahmen sollten unter größter Geheimhaltung und unter Einhaltung genauer Vorgaben durchgeführt werden. Das geheime Papier regelt auch das bürokratische Vorgehen der beteiligten Stasi-Diensteinheiten.

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Übersicht zu den eingesetzten "Wanzen"

Für das Abhören von Wohnungen benötigte das MfS eine Vielzahl von technischen Geräten, die teilweise eingekauft, teilweise selbst gebaut waren. In der vorliegenden Übersicht findet sich eine Aufstellung von in der BRD eingekauften kommerziellen "Wanzen" mit deren jeweiligen technischen Spezifikationen sowie Vor- und Nachteilen. Die Wanzen aus dem Westen beschaffte das MfS jedoch nur zum Test und setzte sie nicht ein.

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